Gewerbe-Quadrat Viktor, du bist Gründer des Future Real Estate Institute, was ist eure Mission und was erwartest du von der Expo Real 2017?
Viktor Weber: Das FREI ist eine digitale Transformationsberatung, die einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, welcher sich an dem von mir entwickelten „Reference Model for Continuous Digital Transformation“ orientiert. Von der Analyse des Unternehmens, über die strategische Konzeption, bis hin zur Entwicklungsdienstleistung, bieten wir alles aus einer Hand an. Auch offerieren wir Intensivschulungen für Führungskräfte und entwickeln digitale Bildungskonzepte für die Mitarbeiter (z. B. E-Learning Formate und verschiedene Workshops). Die meisten Vorträge mache ich zurzeit noch alleine, da ich hier noch keine passende Ergänzung gefunden habe, die fundierte IT-Kenntnisse, Kreativität und Immobilienfachwissen vereint. Bei technischen Projekten oder vertiefenden Workshops, arbeite ich mit einem Netzwerk aus Entwicklern und Forschern zusammen.
Ich habe eigentlich keine Erwartungen. Auf Messen wie der Expo Real hat man natürlich das Interesse sich möglichst gut darzustellen und das Thema Digitalisierung wird daher auch hier prominent in Szene gesetzt. Das sieht man sehr gut daran, dass hier ziemlich viele Vorträge und Stände das Thema aufgreifen. Die Branche versucht sich auf jeden Fall zu positionieren, aber was dann unter der Oberfläche passiert ist eine ganz andere Frage. Es ist also unwahrscheinlich, dass tiefgehende Veränderungen detailliert in diesem Rahmen kommuniziert werden. Ich glaube nicht, dass eine Offline-Messe der beste Ort für digitale Themen ist. Es geht eher darum sich mal wiederzusehen, etwas auszutauschen oder neue Kontakte zu knüpfen.
Gewerbe-Quadrat Welche Technologie fasziniert dich momentan am meisten und warum? Bei welcher Technologie gibt es deiner Meinung nach zu viel Hype?
Viktor Weber: Persönlich finde ich Künstliche Intelligenz (KI) sehr interessant sowie am relevantesten. So eine Technologie kann man aber nicht alleine betrachten. Zum Beispiel ist auch die Sensorik in diesem Kontext sehr wichtig, damit man überhaupt Daten aus der gebauten Welt bekommt. Diese Daten benötigt man dann, um z. B. Machine Learning Modelle anzutrainieren. Die meisten Technologien sind dahingehend sehr stark vernetzt und beeinflussen sich positiv. KI kann beispielsweise auch in den Bereichen Blockchain oder bei der Entwicklung neuer Micro-Chips helfen. So kann man z. B. automatisiert das Verhalten von Blockchainmodellierungen oder Prozessoren unter Maximalauslastung simulieren, um diese iterativ zu verbessern. KI beeinflusst schon heute Software – aber auch Hardwareentwicklung, was aber sicherlich noch zunehmen wird. Dies hat dann unter Umständen wieder eine positive Rückkopplung auf die Datenverarbeitungskapazität, Trainingsgeschwindigkeit oder die Tiefe neuronaler Netze.
Blockchain genießt definitiv zu viel Hype.
Einfach aus dem Grund, dass die meisten Leute die darüber reden, auch zum Teil auf hochkarätigen Veranstaltungen der Branche, viele kritische Aspekte auslassen. Stichwort Smart Contracts: Man hört sehr oft, dass in Zukunft jedes Rechtsgeschäft in einem smarten Vertrag geregelt sein wird und dies eigentlich schon heute möglich sein soll. Zum jetzigen Zeitpunkt ist dies aber einfach noch nicht möglich. Die zurzeit genutzten Programmiersprachen können die Komplexität der Rechtsprechung und die Interpretierbarkeit von Recht noch nicht abbilden. Skalierbarkeit solcher Lösung ist ein ganz anderes Thema, wo es momentan auch noch keine wirklich gute Lösung gibt. Gleiches gilt für die fehlerfreie und schnelle Konsensfindung. Auch ist es einfach nur irreführend Blockchains als ultimative Datenspeicherungslösung darzustellen, da wir eine extrem hohe Redundanz und Latenzzeit in Kauf nehmen müssten. Hinzu kommen rechtlich offene Fragen sowie der Sicherheits-/Kontrollaspekt. Dann gibt es auch noch Themen wie Enterprise Blockchains. Für mich ist eine Enterprise Blockchain eigentlich eine Verletzung des Urgedankens einer dezentralen demokratischen Lösung, wie es die Bitcoin Blockchain sein sollte. Hier existieren noch sehr viele Baustellen, die beseitigt werden müssen, bis wir zu dem Punkt kommen an dem die Blockchain unsere Welt verändern könnte.
Gewerbe-Quadrat Wie können Mitarbeiter ihre digitale Kompetenz erweitern und worauf kommt es für die nächste Generation der Immobilienwirtschaft an?
Viktor Weber: Digitale Kompetenz definiere ich etwas ausführlicher als es meistens getan wird. Digitale Kompetenz steht nicht alleine für den Umgang mit MS-Office oder Internet-Technologien. Digitale Kompetenz besagt aus meiner Sicht eigentlich, dass Leute wie du und ich in Unternehmen arbeiten und digitale Trends erkennen, Technologien wie KI in ihren Grundzügen verstehen und, dieses Wissen auf Geschäftsmodelle sowie Märkte transponieren können. Dazu zählen auch soziale Aspekte, wie z. B. Co-Working oder zukünftige Lebensweisen. Daraus können dann bessere Strategien im Unternehmen entwickelt sowie bessere Entscheidungen getroffen werden. Darüber hinaus fördert eine höhere digitale Kompetenz der Mitarbeiter die Entstehung von neuen Ideen im Unternehmen.
Um an diesen Punkt zu gelangen, ist der Faktor Zeit unabdingbar. Mitarbeiter sollten sich Zeit nehmen, bzw. Unternehmen sollten zeitliche Freiräume für Fortbildung schaffen, damit sich Mitarbeiter bezahlt weiterentwickeln und sich an bestehende sowie zukünftige Technologien herantasten können. Dabei sollte auch möglichst früh versucht werden, ein grundlegendes akademisches Verständnis zu entwickeln. Es gibt hierfür sehr viele e-Learning Plattformen, wie z. B. Coursera und Udacity, die sich mit den Grundzügen der Programmierung oder mit Datensicherheit beschäftigen. Online ist eigentlich für jeden etwas dabei, denn es existieren auch nicht-technische Angebote, z. B. Mensch-Maschine Interaktion, Usability oder Technologie Management. Dasselbe gilt aber auch für die digitalen Talente von morgen. Diese Konzepte sollten daher bereits auf universitärer Ebene verfolgt werden. Auch führende Universitäten der Real Estate Branche, wie IREBS, EBS, etc. bieten heute eigentlich kaum Berührungspunkte zu diesen digitalen Themen. Vielmehr herrscht die Annahme, dass in 20 Jahren alles so läuft wie heute. Die Entwicklung eines Bewusstseins für die Welt von morgen kann jedoch enorme Potenziale bergen.
Gewerbe-Quadrat Die Digitalisierung ist medial omnipräsent. Großunternehmen beschäftigen sich zunehmend mit den wichtigsten Trends und den Auswirkungen auf das Geschäftsmodell. Für welche Lebenszyklusphasen erwartest du die meisten Veränderungen? Wo findet zukünftig unternehmerische Wertschöpfung statt?
Viktor Weber: Die Frage nach der Wertschöpfung würde ich gerne als Erstes aufgreifen. Ich glaube, dass die aus der gebauten Welt – in welcher wir rund 80 % unserer Lebenszeit verbringen – generierten Daten in Zukunft ein enormes Wertschöpfungspotenzial haben werden. Möglich ist auch, dass diese Daten in ferner Zukunft einen höheren Wert besitzen als ihre gebaute Hülle. Diesbezüglich könnten ganz neue Geschäftsmodelle entstehen, die auf einer Nutzung dieser gesammelten Daten aufbauen. Schon heute ist es möglich mittels Sensorik, Bewegungsmuster und Augenbewegungen zu messen. Den digitalen Arbeitsplatz kann man natürlich auch durchleuchten, das heißt man benutzt Tastenanschlags-Monitoring und Heatmaps. Aus der Datennutzung kann eine neue Transparenz entstehen. Persönlich denke ich aber auch, dass wir in Zukunft eine Phase der Ernüchterung, dem Datenrausch folgend, erleben werden. Man wird feststellen, dass nicht jeder Datenpunkt in Echtzeit erhoben werden muss und manche Modelle nicht konstant optimiert werden müssen, weil sich die Welt einfach nicht so schnell ändert. Der Datenmarkt wird sich also ausdifferenzieren. Zeitgleich wird die Gesellschaft in das Thema hineinwachsen, manche Entwicklungen unterstützen und andere blockieren. Das wird spannend.
Darüber hinaus denke ich, dass die Digitalisierung in jeder Lebenszyklusphase gleich wichtig ist, und daher in jeder Phase gleich präsent sein sollte. Einfach aus dem Grund, dass keine Bruchstellen zwischen den einzelnen Abteilungen entstehen, sei es in Prozessabläufen oder den genutzten Medien. Damit diese Bruchstellen z. B. bei einer analogen Planung in Verbindung mit einer digitalen Immobilienbewertung nicht entstehen, müssen in allen Bereichen Transformation und Digitalisierung angestoßen werden. Das Transaktionswesen wird meiner Meinung nach am schnellsten digitalisiert werden, denn die Voraussetzungen sind dafür schon geschaffen. Wir als Konsumenten kaufen immer mehr online und dieses Verhalten wird sich dahingehend auch auf Immobilienprozesse projizieren.
Gewerbe-Quadrat Die Bau- und Immobilienwirtschaft in Deutschland ist vor allem durch den Klein- und Mittelstand geprägt. Existieren besondere Herausforderungen für KMUs? Was können diese Unternehmen leisten, um den Anschluss nicht zu verlieren?
Viktor Weber: Kleinere Unternehmen haben Vorteile z. B. sind sie agiler als die großen Konzerne mit Tausenden Mitarbeitern. Diese Unternehmen können sich ggf. schneller digital transformieren, da die Hierarchien flacher und Entscheidungswege kürzer sind. Andererseits sind natürlich auch Grenzen gesetzt, vor allem bei der Entwicklung und Forschung. KMUs werden keine großen IT-Abteilungen aufbauen, welche Inhouse Lösungen erarbeiten könnten. Stattdessen müssen kleine Unternehmen auf existierenden Lösungen aufbauen. KMUs können aber auch auf Kooperationen mit anderen Unternehmen setzen. Kleinere Unternehmen haben oftmals auch kleinere bzw. weniger granulare Datensätze und sind somit in ihrer Analyse limitiert, wobei in diesem Kontext das Wort „klein“ auf die Marktmacht bezogen ist. Wenn Sie als Unternehmen nur eine kleine Stichprobe der Gesamtpopulation als Kunden haben, können sie einfach weniger Aussagen für die Allgemeinheit ableiten. Eine mögliche Lösung könnte ein Datenverband für KMUs sein, sodass gemeinschaftliche Entwicklungen forciert werden. Ein Datenverband wäre aber grundsätzlich eine gute Idee.
Gewerbe-Quadrat Welche Szenarien mit welcher Eintrittswahrscheinlichkeit erwartest du für die Immobilienbranche in Deutschland bis zum Jahr 2025?
Viktor Weber: Ich bin kein Freund von solchen strikten Zeitangaben. Es ist einfach unseriös konkrete Zeitangaben zu machen. Insbesondere in dem Bereich der Technologie werden momentan viele Technologien in Unternehmen und Universitäten erforscht, welche schon morgen den Markt umkrempeln könnten. Wir bekommen es einfach nur nicht mit bis ein Paper publiziert oder eine Lösung auf den Markt gebracht wurde. Für die Zukunft denke ich, dass wir einerseits besser vernetzte Immobilien haben werden, also mehr Sensoren, Datenverarbeitung und mehr Monitoring von Nutzern. Andererseits werden, insbesondere in einem Markt wie Deutschland, neue Datenschutzthemen auftreten. Dadurch wird auch eine Gegenbewegung entstehen, die die Digitalisierung zwar gutheißen, jedoch auch gewisse Aspekte des Immobiliengeschäfts lieber Offline abwickeln möchte. Insbesondere im Dienstleistungsbereich. In den nächsten Jahren wird sich noch weiter herauskristallisieren, in welche Richtung wir uns entwickeln werden. Kostenführerschaft kann auch wieder in Zukunft eine größere Rolle spielen. Auch digitale Lösungen verknüpft mit menschlichen Services könnten im höheren Preissegment an Bedeutung gewinnen.
Der Markt wird sich ausdifferenzieren.
Gewerbe-Quadrat Welche Rolle können Startups – die jungen Wilden – dabei einnehmen?
Viktor Weber: Ich denke Startups werden auf jeden Fall eine Rolle spielen, sei es in Form von Kooperationen mit großen Konzernen oder gerade bei Themen der Datenverarbeitung. Auch Virtual Reality und Augmented Reality Lösungen können relativ losgelöst von der Immobilie durch junge Unternehmen entwickelt werden. Startups werden auch weiterhin Impulsgeber sein und für neue Ideen sorgen. Da die Immobilie ein physischer Gegenstand ist, den viele Startups leider nicht besitzen, wird es nicht ohne Kooperationen funktionieren. Startups können Lösungen entwickeln, die dann von großen Unternehmen erst einmal am Markt getestet werden. Startups werden auch die Lücke schließen, die durch das Ausscheiden von Unternehmen entsteht, welche den Wandel verschlafen haben und somit mit den Kosten und der Geschwindigkeit des digitalen Wandels nicht mehr mithalten können. Zudem werden Technologieunternehmen in die Immobilienbranche drängen.
Gewerbe-Quadrat Viktor, vielen Dank für dieses spannende und ausführliche Interview. Wir wünschen viel Erfolg auf deinem weiteren Weg!