Der Begriff “Legal Tech” schmückt die Titelseiten vieler Gründungsgazetten, doch gibt es gegenwärtig noch wenig Innovationen, die erkennbar den großvolumigen Rechtsalltag beeinflussen.

Damit bleibt noch Zeit genug für eine Diskussion, was Legal Tech als neue Bewegung allgemein bedeutet, was es für das Beispiel des Immobilienwirtschaftsrechts konkret bedeuten kann und welche Gefahren oder auch Chancen hinter dieser Bewegung stecken. Dies sollte aus der Sicht des gegenwärtigen Rechtsberatungsmarktes näher – und auch für den technischen Laien – beleuchtet werden.

Für eine Diskussion über die Gefahren und den Nutzen von digitalen Innovationen im Rechtsberatungsmarkt ist Offenheit und die ehrliche Betrachtung von Zukunftsvisionen vonnöten. Nicht selten wurde in der Vergangenheit gerade durch Innovationsskepsis eine Verdrängung erst ermöglicht. Es kann einem schnell wie den Videothekenbetreibern gehen, die sich gerade erst mit Ach und Krach von VHS auf DVD und dann BluRay umgestellt hatten und in Nullkommanix “hinterrücks” von iTunes, Netflix und Co. – euphemistisch gesagt – abgelöst wurden. Das klingt klein und offensichtlich, aber gelacht haben auch der Taxifahrer, der Banker und der Hotelier, die nunmehr allesamt überall auf der Welt jeweils Uber, Apple Pay sowie Airbnb fürchten müssen – alles global skalierende digitale Unternehmen, die milliardenschwere Branchen ins Schwitzen bringen. Kein Markt sollte sich einer Selbstanalyse verwehren, denn jedenfalls in San Francisco, Berlin und Tel Aviv (die Hauptumschlagspunkte für Start-Ups), sitzen Menschen zusammen, die sich über genau dies – nur eben aus einem anderen Blickwinkel – Gedanken machen.

Rechtsanwälte werden sich in ihrem Elfenbeinturm zurücklehnen und schmunzelnd auf die Vielschichtigkeit und Territorialität der Rechtsordnungen verweisen. Sie werden fragen: Wie könnte ein Rechtsanwalt abgelöst werden, wenn doch stets subjektive Subsumtionsschritte und Abwägungsprozesse erforderlich sind, die eine umfangreiche Empirie, die richtige Kombination von deduktivem und assoziativem Denken und das jahrelang entwickelte Judiz voraussetzen? Wie soll dies gehen, wenn das digitale Unternehmen aus Cupertino sich auf einen Markt bewegen will, der in keinem Fall international, auch nicht kontinental, ja und noch nicht einmal zwingend national oder kommunal vereinheitlicht werden kann? Um Eines vorwegzunehmen: Durch eine intensive digitale Auswertung von rechtlichen Informationen, die häufig ohnehin strukturiert aufgearbeitet sind (Gesetze, Urteile, Literatur, Schriftsätze, Stellungnahme, Aufsätzen etc.), wird auch die Rechtsfindung, auch für den Nicht-Juristen, langfristig durch Automation und Standardisierung erleichtert werden können. Aber auch kurz- und mittelfristig wird sich etwas tun, und das eventuell gerade in Bereichen, deren Beratungsvolumen relevanter ist als im Prozessgeschäft. Bislang mag die Komplexität der Rechtsberatung und damit die schwere Skalierbakeit von digitalen Innovationen im juristischen Bereich unattraktiv gewesen sein und daher abgeschreckt haben, doch gerade die Milliardenschwere dieses Marktes dürfte die sich exponentiell entwickelnde digitale Industrie anlocken wie das Licht die Fliegen.

Wir sollten in zwei Schritten vorgehen: (1) Es sollte klar sein, worüber wir hier sprechen und (2) wir sollten das Konzept, über das wir hier sprechen, mit Blick auf die gegenwärtige immobilienwirtschaftliche Beratungspraxis analysieren und auf Bedrohungen und Chancen abklopfen:

legal

1. Was ist Legal Tech und was ist Disruption?

Legal Tech ist ein Begriff, der im Detail gegenwärtig sicher noch nicht abschließend greifbar ist, aber – so zumindest das wohl herrschende Verständnis – die zur Zeit wahrnehmbare Bewegung beschreibt, dass der Rechtsmarkt als “The Next Big Thing” künftig durch innovative Technologien zum Teil ergänzt und zum Teil sogar verdrängt wird. Beschränkte sich das bisherige gründungs-journalistische Augenmerk noch auf den sogenannten Fin-Tech-Markt, der – mittlerweile auch klar erkennbar – das traditionelle Bankenwesen durch z.B. Crowdlending-Plattformen (Auxmoney und Co.) oder Finanztransaktionsinstrumente (z.B. PayPal und Co.) mit zunehmenden Fragezeichen schmückt, ist nunmehr LegalTech in aller Munde.

Zur Definition: Der Suffix “Tech” beschreibt insoweit immer nur, die Technologisierung des durch das Präfix gekennzeichneten Marktes (z.B. “Health Tech” für das Gesundheitswesen oder “Ad Tech” für die Werbebranche).

Bedeutet “Technologisierung” zwar nicht zwingend auch zugleich “Verdrängung eines Marktes”, so würde es aber der gegenwärtigen innerlichen Haltung der Gründer und Investoren nicht gerecht werden, wenn man disruptive Elemente komplett ignorieren würde. Mit anderen Worten: In die Begriffsbestimmung “Tech” muss auch immer der Versuch hineingelesen werden, dass ein bestimmter Markt disruptiert werden soll.

Disruption – und damit genug zur Begriffsbildung – meint hierbei die Verdrängung eines bestehenden Produkts oder einer Dienstleistung innerhalb eines Marktes durch innovative Technologie. Uber etwa disruptiert den Markt der Personenbeförderung, Spotify die Musikindustrie und Apple Pay und Co. das Finanzwesen. Verdrängung im Wettbewerb elegant als “Disruption” zu bezeichnen ist zwar im Grunde nur alter Wein in neuen Schleuchen, aber die Absicht oder auch

  • – wie Juristen sagen – die “überschießende Innentendenz” der Disruptoren, einen etablierten Markt rasant umzustürzen,
  • das zur Verfügung stehende technologische Instrumentarium, das sich zudem exponentiell verbessert und das zentrale Mittel der Disruptoren ist, sowie
  • das zunehmende Bewusstsein der Bevölkerung ob der Vorteile der Nutzung innovativer Technologien,

ist wohl das Neue und das Brisante an diesen Konzepten.

2. Was könnte Legal Tech im Immobilienwirtschaftsrecht bedeuten?

Ein kursorischer Blick auf den allgemeinen digitalen Rechtsmarkt

Es gibt deutliche Ansätze dafür, dass Legal Tech nicht bloß ein (Alb- oder Wunsch-)Traum vieler Akteure bleiben wird.

Auszuklammern sind diejenigen Innovationen, die bereits seit einiger Zeit der Rechtsanwaltschaft helfen, ihre Arbeit zu optimieren: Juris und Beck-Online sowie (leider nur selten) intelligente Anwaltssoftware für den Büroalltag sind Instrumente, die der Anwaltschaft nutzen, wenngleich die Kosten hoch sind. Diktiersoftware und digitale Kommunikationsmittel haben insoweit eventuell den Markt der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten verkleinert, doch sind Anwälte hiervon eher Profiteure – deswegen auch die Ausklammerung.

Auch kostenlose Plattformen wie dejure.org oder gesetze-im-internet.de haben vielleicht in Ansätzen dazu geführt, dass auch der juristische Laie sich ein vages Rechtsbild ergooglen kann, doch die Erfahrung lehrt: Den Anwalt ersetzen diese Instrumente nicht, da die Komplexität der Rechtsfindung nicht erleichtert wird. Der juristische Laie wird Schadensersatz nach § 280 BGB nicht von dem Schadensersatz nach § 823 BGB unterscheiden können. Rechtsfindungs-Instrumente wird es – und das ist sinnvoll – weiter geben: Intelligentere Datenräume werden so z.B. das Transaktiongsgeschäft erleichtern können; Litigation wird interessanter, wenn das angekündigte Richterbewertungsportalsteht, auf dem man sich auf Prozesse vorbereiten und unter Rechtsanwälten austauschen kann.

Seit einiger Zeit verlagert sich des Weiteren bereits ein gewisser Teil der Vermittlung von Mandaten und auch die Rechtsberatung ins Internet. Hinter Frag-einen-Anwalt.de oder Jurato.de stecken Konzepte, die im B2C-Bereich (Business to Consumer) und in einem bestimmten Segment funktionieren. Ansätze etwa von Advocado.de gibt es auf ähnliche Weise im B2B-Bereich (Business to Business), wobei diese wohl noch in Kinderschuhen stecken. Diese Ansätze sind zur Zeit – geschätzt – eher volumenarm und dürften eine hohe Supportintensität nach sich ziehen. Echte Disruption ist auch hier kaum wahrnehmbar, denn weder war die Mandatsvermittlung in diesen Segmenten bislang ein echter Markt noch ist die Relevanz der Angebote spürbar groß. Dass es aber nicht dabei bleiben wird, dürfte sicher sein.

Ein Blick auf die immobilienwirtschaftsrechtliche Beratung

Auch die immobilienwirtschaftsrechtliche Beratung ist nicht mehr nur ein reiner Papiertiger: Digitale Datenräume sind üblich, der digitale Abruf von Informationen über Immobilien wird praktiziert und auch die Kommunikation läuft digital. Aber das war es dann auch. Hier gibt es bislang nicht viel, außer einigen Marktoptimierungsmittel, die aber allesamt den Rechtsberatern helfen.

Was kann aber die neue Legal-Tech-Bewegung für das Immobilienwirtschaftsrecht bedeuten?

Das Transaktionsrahmengeschäft

Der Anwalt im Immobilienwirtschaftsrecht beschäftigt sich vorwiegend mit Immobilientransaktionen: Zu Beginn steht meist eine Modellberatung (z.B. Asset oder Share Deal). Er prüft sodann im Rahmen der Due Diligence die rechtlichen Rahmenbedingungen eines Immobilienerwerbs in öffentlich-rechtlicher, sachenrechtlicher, mietrechtlicher und häufig auch bewirtschaftungsrechtlicher Hinsicht. Im Share Deal kommt hier die steuerrechtliche, gesellschaftsrechtliche und arbeitsrechtliche Bewertung hinzu. Sodann verhandelt er den Kaufvertrag und begleitet dessen Abwicklung.

Um abzuschichten: In erster Linie werden innovative Technologien das personelle Vertrauen, das ein Mandant einem Rechtsanwalt entgegenbringt, vorerst allgemein nicht ablösen können. Dies jedenfalls solange nicht, bis das Vertrauen in Technologie nicht gleichermaßen hoch ist. Das bedeutet: Der Anwalt dürfte nach wie vor für einen längeren Zeitraum der wesentliche Akteure des Immobilienwirtschaftsrechts bleiben.

Sodann dürften Beratungsleistungen, die

  • einerseits die sehr umfassende Bewertung von zahlreichen konkreten Umständen des Einzelfalls, die in vielerlei Hinsicht erst durch Erfahrung ermittelt, hinterfragt unter Umständen sogar mit nicht eindeutigen Ergebnisse bewertet werden können, und
  • andererseits die nicht zu unterschätzende taktische und psychologische Erfahrung erfordern, ebenfalls nicht ohne jahrelanger Sammlung und Auswertung von Strukturdaten über Bewertungsprozesse, Strategien, Taktiken und sonstigen Verhaltensweisen

verdrängt werden können.

Auch das im Recht stets verbleibende Rest-Fünkchen an Subjektivität und Einzelfallermessen wird hier das bisherige System stabilisieren.

Kurzum: Modellberatung vielleicht nicht mehr, aber jedenfalls Vertragsverhandlungen werden für einige Dekaden sicherlich noch zum disruptionsfesten Kern der Rechtsanwaltschaft gehören dürfen. Die erforderliche Querschnittssicht, die Interessenanalyse und -bewertung sowie die Interessendurchsetzung auf vielerlei Kommunikationsebenen setzt nicht umsonst eine ellenlange Ausbildung sowie den von vielen Mandanten erwarteten und durch graumeliertes Haar zertifizierten Erfahrungsschatz voraus. Zugegeben: Das Spielfeld wird sich ändern können. Die Vertragsverhandlungen, -formen und -abwicklungen werden mit Gewissheit technologisch überformt werden können (z.B. durch auf das später noch zu besprechende sog. Blockchaining).

Die Due Diligence

Ein nicht unerheblicher Aufwand im Rahmen der Transaktionsprozesse stellt aber die Due Diligence dar. Und hier lohnt es sich, etwas länger zu verweilen und einen Pendelblick zwischen technologischem Fortschritt und bisherigem Prüfprozess aufzusetzen, denn die Due Diligence ist häufig der größte Kostenfaktor (großer Kostenfaktor bedeutet auch: Großes Potenzial für Disruptoren).

Es gibt zahlreiche frei verfügbare Informationen über Immobilien – dies insbesondere im Internet. Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, dass die vorhandenen Verzeichnisstrukturen dieser Informationen und Informationscluster klein und holprig sind und regional stark variieren. Selbstverständlich lässt sich mittlerweile durch Adresseingabe ein Satelliten-Bild von vielen beliebigen Grundstücken anzeigen. Der rechtliche Nutzen dieser Information ist aber zu vernachlässigen. Für die öffentlich-rechtliche Bewertung einer Immobilie benötigt man Angaben zum öffentlichen Baurecht, Flurkarten Liegenschaftsauszüge, Baulastenauszüge, Angaben zu Altlasten, Bodenrichtwerten und viele weitere Informationen.

In Berlin gibt es beispielsweise eine landeseigene Plattform, bei der – zur Zeit sehr umständlich, aber immerhin – viele vorhandenen Pläne und öffentliche Angaben hinterlegt werden und über Eingabe der konkreten Adressen abrufbar sind. Hier gibt es gute Gründe, anzunehmen, dass das technologische Instrumentarium gegenwärtig in der Lage wäre, die Informationen zentral zu sammeln, übersichtlich aufzubereiten und ggf. sogar zu bewerten. Die Darstellung der Ergebnisse für den Käufer ist dann kein technologisches Hexenwerk mehr. Dass dann aber auch der Käufer selbst und nicht – teuer vermittelt – durch den Rechtsberater sich ein Bild von der Immobilie machen kann und ggf. schon eine Bewertung erhält, dürfte anzunehmen sein. Aber: Ein vollständiges Bild liefern die frei zugänglichen Informationen nicht.

Registerabfragen, seien sie öffentlich oder beschränkt, dürften zur Zeit zwar nicht entsprechend technologisch überformt werden können, da die Registerämter hierauf noch nicht eingerichtet sind. Solche Abfragen könnten aber in Softwarelösungen automatisiert veranlasst werden können. Mit der Einführung digitalisierter Kommunikation auch mit Behörden wird eventuell hier eine letzte Hürde genommen. Mag der Zugang zu Informationen und Dokumenten digitalisierbar sein, wäre die nächste Anforderung aber eine hinreichende Standardisierbarkeit. Doch zur Zeit sieht ein Auszug aus dem Altlatstenkataster von Region zu Region sehr unterschiedlich aus. Dies dürfte technologisch lösbar sein, ob der Aufwand den Nutzen rechtfertigt, wäre aber zu hinterfragen. Ideal wäre es sicherlich, dass auch die Informationen standardisiert ausgegeben werden, was ebenfalls derzeit nicht der Fall ist. Eine echte digitale Schnittstelle – wie etwa bei Finanzämtern – gibt es in diesen Bereichen nur selten (z.B. allenfalls bei Grundbuchämtern).

Die Sichtung und Bewertung von privat-rechtlichen Dokumenten, sollte man am Beispiel der mietrechtlichen Due Diligence durchdenken: Zur maßgeblichen Bewertung einer Immobilie gehören die Mietverhältnisse, bei denen regelmäßig die Mietverträge und die mietvertragliche Korrespondenz zu sichten ist. Zu analysieren ist dabei regelmäßig die Miete, die Wertsicherung, die Laufzeit, die vorzeitige Beendigung und sonstige Regelungen, die die Werthaltigkeit des Mietverhältnisses und damit auch den Wert der Immobilie betreffen. Große Gewerbemietverträge beispielswiese mit Ankermietern in Einkaufszentren sind hierbei stets besonders intensiv zu prüfen, da diese regelmäßig auf lange Zeit geschlossenen Verträge unter strengsten Anforderungen und sehr weitgehend schriftlich geschlossen werden müssen und kleinste Nachlässigkeiten bei der Form zu dem “mietrechtlichen Supergau” führt, das auch mal ein Erwerbshindernis sein kann: Die Schriftformkündbarkeit.

Wie kann nun die Sichtung, Prüfung, Bewertung und Darstellung technologisch umwoben werden?

Selbstverständlich arbeitet man heutzutage regelmäßig schon mit digitalen Datenräumen. Dort werden (eingescannte) Dokumente hinterlegt und für die Kaufinteressenten zugänglich gemacht. Die Scan-Qualität variiert, ist aber häufig nicht ideal. Die Vollständigkeit ist hierbei ebenfalls ein ständiger Diskussionspunkt. Aber: Die Strukturen von Mietverträgen sind oftmals ähnlich. Eine Software wird erkennen können: Eine Zahl verbunden mit einem Euro-Zeichen kann die Miete sein, ein in der Zukunft liegendes Datum kann die Laufzeit sein. Die Begriffe “Instandhaltung” und “Instandsetzung” könnten ebenfalls abtastbar sein und die damit zusammenhängenden Klauseln könnten automatisiert dargestellt werden. Handelt es sich um zahlreiche Mietverträge, so könnten Vergleiche vorgenommen werden und die zu bewertenden Bestandteile in Clustern dargestellt werden. Diese Informationen wiederum könnten automatisiert mit anderen Dokumenten, etwa Kontoauszügen im Hinblick auf die Richtigkeit der Miete und regelmäßig vorliegenden Mieterlisten vom Verkäufer, verglichen werden. Abweichungen müssten dann kenntlich gemacht werden und im Due Diligence Report dargestellt werden. Diese Abweichungen liefern dann Potenzial für Verhandlungen des Kaufpreises und der Garantien.

Aber um auch hier den Wind etwas aus den Segeln zu nehmen:

  1. Die Hinterlegung der Dokumente ist häufig unstrukturiert und in schlechter Qualität, so dass eine automatisierte Abtastung bereits häufig daran scheitern dürfte.
  2. Die deutsche Sprache und die kautelarischen Möglichkeiten bieten sehr viele Facetten, so dass eine automatisierte Prüfung und Bewertung gegenwärtig nur bei absoluten Standard-Klauseln funktionieren dürfte.
  3. Die sehr unterschiedliche Vertragstechnik und insbesondere die – nicht unübliche – Änderung der Vertragsregelungen in nachfolgenden Vereinbarungen (Nachträgen) mit komplizierten Aufhebungs- und Aufrechterhaltungsklauseln dürfte für eine Software nicht leicht durchschaubar sein.

Vor diesem Hintergrund wird der Immobilienwirtschaftsrechtler gegenwärtig und in näherer Zukunft auch hier nicht in letzter Instanz überflüssig werden können.

Eine Hilfe, und hier spräche man den B2B-Bereich an, wäre die automatisierte Suche und Hervorhebung von typischerweise risikoreichen Begriffen für den prüfenden Rechtsanwalt . Hierfür dürfte es technologisch möglich sein, intelligente Lösungen zur Verfügung zu stellen, die Zeitersparnis und eventuell auch Lückenlosigkeit gewährleisten. Verdrängt wird dann aber nicht der tradtionelle Rechtsberater in der Immobilienwirtschaft sondern das herkömmliche Instrumentarium, das einem Rechtsberater zur Verfügung steht. Kosten könnten gesenkt werden, Preise würden sich verändern, aber echte Disruption ist das nicht.

Erleichterung durch Smart Contracting?

Ein neuer interessanter Aspekt stellt die Diskussion um sogenanntes Smart Contracting dar.

Mittels dem schon angesprochenen Blockchaining wird versucht, die Vertragsverhandlung und -gestaltung, der Vertragsabschluss und der Vollzug einem sicheren softwarebasierten System zu überlassen (eingesetzt wird dieses System gegenwärtig etwa bei Bitcoin). Welches System auch immer in Frage kommt, hierzu müssten gesetzlich vorgeschriebene Formanforderungen sicherlich noch geändert werden. Die Idee aber, dass Verträge im Wesentlichen softwarebasiert verhandelt, hinterlegt und vollzogen werden (z.B. durch automatisierte Veranlassung der Mietzahlung über Paypal an jedem dritten Werktag eines Monats; oder auch die automatisierte Anpassung und Invollzugsetzung der Miete gemäß Entwicklung des Verbrauchpreisindexes), wirft am fernen Horizont auch interessante Blickwinkel auf Due-Diligence-Prozesse: Werden Vertragsmechanismen langfristig digital standardisiert – und je nach Verhandlung – als verbindlich und selbstvollziehend eingestellt/hinterlegt, so wird die Werthaltigkeit des Vertrages und aber auch der Immobilie nur noch die standardisierte Ausgabe in tabellarischer Form (wenn überhaupt) erfordern. Dann – in der Tat – wird der Due-Diligence-Anwalt überflüssig. Dies aber ist Zukunftsmusik, da die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Immobilienwirtschaft selbst erstmal die Chancen erkennen und sich maßgeblich umstellen müsste.

3. Das Résumé für den Immobilienwirtschaftsrechtler

Disruption wohl vorerst nein, aber Marktoptimierungsinstrument in unterstützender Form ja, sicherlich auch schon kurz- oder mittelfristig – so könnte ein Zwischenergebnis lauten. Und daher eben auch erstmal Chance und keine akute Gefahr.

Dies schließt einen langfristigen Umbruch auch der Rechtsberatungsbranche nicht aus. Dafür ist aber nicht nur die Umstellung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Abschaffung von dann möglicherweise überkommenen Marktschutzmechanismen erforderlich (insoweit schützt das Rechtdienstleistungsgesetz den Anwalt noch wie das – aber zunehmend in Frage gestellte – Persönenbeforderungsgesetz den Taxifahrer), notwendig ist auch, dass der Rechtssuchende, also die Immobilienwirtschaft, sich verändert. Letzteres aber passiert schon und läuft unter dem – wenig überraschenden – Begriff “PropTech”.

Was kurz- und mittelfristig spannend wird: Derjenige, der sich innovationsoffen für digitale Optimierungsmechanismen interessiert und auch kurzfristig Investitionsrisiken in Kauf nimmt, wird auch die Rechtsberatungskosten marktfähig gestalten können. Derjenige, der sich den Datenraum hingegegen ausdrucken lässt und mittels Diktiergerät alles Gesehene erfasst und schreiben lässt, wird kurz- und mittelfristig zu teuer sein. Letzteres dürfte bei der Preisgestaltung schon jetzt erkennbar sein.

Softwareentwickler werden von dem B2B-Bereich des Legal Techs profitieren: Für digitales Kanzlei- und insbesondere Wissens- und Beratungsmanagement werden individuell angepasste Softwarelösungen zu entwickeln sein.

Dr. Andreas Papp
Twitter @Andreas_Papp
Rechtsanwalt (Bau- und Immobilienrecht)
Attorney at Law (Construction and Real Estate Law)

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