Ein Kommentar von Frederik Raspé
Die ganze Welt (und Immobilienwirtschaft) ist im Griff von SARS-CoV-2, oder auch COVID19 genannt. Ein Virus der zu einer Pandemie geführt hat und nicht nur Teile der Gesellschaft oder Wirtschaft beeinflusst, sondern in unser stark globalisierten Welt, globale Veränderungen und Reaktionen hervorgerufen hat. Es ist eine globale Krise die sich vor allem auf eine der üblichsten Verhaltensweisen des Menschen auswirkt, die Gruppenbildung. Gebaute Orte dienen oft einem höheren Grund, Menschen zusammenzubringen. In dieser Krise ist es genau das, was die Gesellschaft versucht zu vermeiden. Es gilt Menschen mit wesentlich größerem Abstand zusammenzubringen, das widerspricht der Natur der Immobilie und Immobilienwirtschaft.
Oft wird die Immobilienwirtschaft nur als kaufmännischer Sektor verstanden, der sich mit dem Kauf und Verkauf sowie der Vermietung von Immobilien versteht. Menschen die in der Immobilienwirtschaft arbeiten, wissen dass viel mehr zur Immobilienwirtschaft gehört. Mittlerweile ist dieser Gedanken auch in der Gesellschaft angekommen. Die Immobilienwirtschaft beschäftigt sich auch mit dem Betrieb von Geschäften im Einzelhandel, Entertainment oder öffentlicher Bereiche wie Bahnhöfe. Durch diese Eigenschaften sind die Auswirkungen von COVID19 auf die Immobilienwirtschaft besonders.
Ich bin fest davon überzeugt, dass COVID19 auch langfristig spürbare Auswirkungen auf soziale und wirtschaftliche Bereiche haben wird. Zahlreiche Unternehmen auf der ganzen Welt reagieren mit Veränderungen in ihren Arbeitsstätten auf das „new normal“. Aber die Veränderungen die viele Unternehmen vor neue Herausforderungen im Zusammenhang mit ihren Büroimmobilien stellt, bietet auch Chancen. Mehrere Unternehmen versuchen die positiven Nebenwirkungen der Krise zu entdecken und für sich Nutzbar zu machen. Logischerweise tun sich mit dem Wechsel ins Home Office bestimmte Branchen wesentlich leichter als andere. Vor allem in der Technologie Branche war der Wechsel sehr schnell und reibungsloser als in anderen. So haben Twitter und Dropbox jeweils ihren Mitarbeitern das arbeiten im home office für den Rest des Jahres erlaubt. Aber auch traditionellere Branchen haben den Wandel geschafft und wollen die Chancen für sich nutzen. So hat Nationwide, ein großes amerikanisches Versicherungsunternehmen ebenfalls erfolgreich auf home office geschaltet.
Ob man es Home Office, Remote Work oder Telearbeit nennt, es ist für Unternehmen auf der ganzen Welt zu einer großen Chance geworden. Immobilien und die Bereitstellung von physischen Arbeitsplätzen ist einer der größten Kostenpunkte für Unternehmen. Mit dem Wechsel zu mehr Fernarbeit haben Unternehmen die Möglichkeit ihre immobilienbezogenen Kosten drastisch zu senken und, was noch wichtiger ist, die Geschäftskontinuität aufrechtzuerhalten, um ihr Geschäft wieder aufzunehmen, sobald die Krise vorüber ist und die Dinge wieder normal laufen können. Aber auch im Regelbetrieb bietet diese Arbeit von Arbeit wesentliche Vorteile, zum Beispiel auch bei Nachwuchstalenten.
Immobilienwirtschaft und der War for Talent
Der War for Talent beschreibt ein den Kampf um Nachwuchs in Zeiten von Fachkräftemangel in Wirtschaftsnationen. Diese Implikationen von COVID19 auf die Immobilienwirtschaft, auf welche ich bereits im März 2020 hingewiesen habe, hat das Potential neue Talentpools auf der ganzen Welt zu eröffnen. Unternehmen werden sich an Fernarbeit gewöhnen und auch nicht mehr missen wollen. Remote Onboarding und Remote Praktika könnten ebenfalls bleiben. Diese Prozesse zeichnen sich zwar oft sich durch sozialen Kontakt aus, aber dieser kann mittlerweile sehr gut durch virtuelle Hilfsmittel ermöglicht werden. Damit wird es nationalen Unternehmen möglich, internationale Talente von der ganzen Welt zu rekrutieren oder auch einfach aus dem ganzen Land ohne einen Umzug zum eigenen Standort zu erzwingen. Natürlich war dies bereits möglich, aber die meisten Unternehmen sahen die Notwendigkeit, neue Talente in ihr glänzendes neues Hauptquartier umzusiedeln und ihnen ein saftiges Gehalt vor Ort zu zahlen, um den hohen Lebensstandard zu decken, der normalerweise mit einer starken Wirtschaftsregion verbunden ist, man denke nur an Silicon Valley, New York City, London oder einfach München.
Dieser Wandel wird letztlich von Branche zu Branche und sogar von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich sein. Je nachdem, welche Talente sie benötigen und wie ihr tägliches Handeln aussieht. Aber da die meisten Arbeitsplätze zu 80% vor dem Bildschirm liegen und Software-Ingenieure und -Entwickler mit noch höherer Bildschirmzeit die Tür zu neuen Talenten öffnen. Jetzt kann die Rekrutierung aus den starken Wirtschaftszonen wegziehen, wo ein Großteil der technischen Talente keineswegs aus dem Ausland kommt. Ein großer Teil der Tech-Talente kommt eigentlich aus weniger wirtschaftlich aktiven Ländern, wobei Indien wahrscheinlich am prominentesten ist.
Diese potenzielle Veränderung der Bürobelegschaft wird nicht nur die Einstellungs- und letztlich die Kultur in den Unternehmen verändern, sondern sie kann auch erhebliche Auswirkungen auf die Umverteilung des Reichtums und die Neuzuteilung von Geld haben. Wenn Menschen aus der Ferne bezahlt werden, geben sie es auch in der Ferne aus und beeinflussen damit direkt die Wirtschaft um sie herum. Die Menschen könnten sich dafür entscheiden, irgendwohin zu leben, wo die Lebenshaltungskosten niedriger sind, der Lebensstandard jedoch höher ist oder wo ein entspannterer Lebensstil erreicht wird. Mittlerweile zeigen schon zahlreiche Studien die vielen positiven Effekte von remote working oder home office, natürlich hat dies auch negative Seiten. So klagen viele Mitarbeiter über eine stärkere Vermischung von Beruf und Arbeit, jedoch gehe ich davon aus dass diese Nebenwirkungen sich beruhigen werden und Menschen lernen, genau wie sonst auch, mit den neuen Umständen umzugehen.
Natürlich sind diese Veränderungen nichts, was wir jetzt oder im Laufe des nächsten Jahres sehen werden, aber im Laufe der Zeit werden diese Szenarien Realität werden. Schon jetzt melden immer größere Unternehmen dass sie ihre Policies im Hinblick auf Home Office grundsätzlich überarbeiten werden oder schon haben.
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